Kabelhersteller goes Kopfhörer –
wieder mal nichts anderes als
ein genrefremder Hersteller, der auf den Trend aufspringt?
Könnte man fast meinen, denn schließlich ist es nicht gerade naheliegend, dass ein
(wenn auch noch so gut beleumundeter) Fabrikant von hochwertigen Audio-, Video-
und Digitalkabeln plötzlich einen Seitensprung auf den Kopfhörermarkt wagt.
Das scheint allerdings nur so, denn bei näherer Betrachtung sprechen dagegen zwei
Dinge: Erstens hat AudioQuest mit dem überaus erfolgreichen DAC DragonFly schon
einen Fuß in der entsprechenden Tür (wenn auch „nur“ als Accessoire-Lieferant), und
zweitens zielt der NightHawk nicht wirklich auf den mobilen Markt, sondern ganz klar
auf audiophile Hörer, die damit zu Hause in bestmöglicher Qualität Musik hören wollen.
Das macht nicht nur die Preisgestaltung (wobei angesichts der gebotenen Qualität der
Preis als günstig gelten darf, so viel sei schon mal verraten) deutlich, sondern auch
der betriebene Aufwand. Mit Skylar Gray hat man einen talentierten, jungen Entwickler
an Bord genommen, und der hatte gute zwei Jahre Zeit, einen Kopfhörer zu bauen,
wie ihn die Welt in dieser Form noch nicht gesehen hat. Der gesamte Ansatz ist neu:
Gray legte nicht nur Wert auf das bestmögliche klangliche Ergebnis, sondern auch auf
eine nachhaltige und innovative Produktion. So gab er dem NightHawk zum Beispiel
50-mm-Membranen aus Bio-Zellulose und eine Abdeckung aus dem 3D-Drucker mit:
Der „biomimetische“ Grill ist der zugrundeliegenden Flügelstruktur von Schmetterlingen
nachempfunden und soll Resonanzen optimal bedämpfen. Die Ohrmuscheln
bestehen aus einem neuartigen Material namens „Liquid Wood“ (fl üssiges Holz).
Hierzu wird echtes Holz mit recycelten Fasern gemischt, erhitzt, verflüssigt und soverarbeitet, dass es gussfähig wird. Anders als normales Plastik besitzt Liquid Wood
laut AudioQuest außerordentlich günstige akustische Eigenschaften und ist wesentlich
umweltfreundlicher. Der NightHawk sitzt extrem angenehm über den Ohren, nicht zuletzt
aufgrund des relativ geringen Gewichts von 346 Gramm. Mit dazu bei trägt allerdings
auch das sich selbst justierende Kopfband. Beide mitgelieferten Kabel sind von
höchster Qualität (klar) und auf mobilen beziehungsweise stationären Einsatzzweck
hin optimiert. Ein Adapterstecker für 6,3-mm-Buchsen liegt ebenfalls bei.
Klang
Fangen wir mal mit schwerer Kost an. Kari Bremnes „Once I Had a Lover in Berlin“
fordert von einem Wiedergabegerät trotz minimaler Instrumentierung in jeder Hinsicht
alles: Aufl ösung im Hochton, Transparenz im Mittelton und Druck im Bass, und allzu oft
kommen Sibilanten etwas harsch rüber – die recht direkte Aufnahme der Stimme von
Kari Bremnes fordert hier gerne mal ihren Tribut. Nicht so mit dem NightHawk: Anfangs
wirkt alles noch ein wenig zurückhaltend, doch die weitgehende tonale Neutralität des
AudioQuest kündigt sich schon ohne großartige Einspielzeit an. Nach einigen Stunden
lösen sich dann die zu Beginn noch leicht angezogenen dynamischen Zügel. Die
massive und gleichzeitig delikat intonierte Percussion auf Kunikos „Pleiades I“ fl ießt
so unangestrengt und losgelöst aus den Treibern des NightHawk, dass man gar nicht
aufhören möchte, sich in der ansatzlosen Dynamik und feingeistigen Phrasierung zu
verlieren! Krasser Genre-Wechsel zu Kendrick Lamars „The Blacker the Berry“: Dem
mit nicht wirklich jugendfreien Texten agierenden Rapper kann man quasi durch das
Mikrofon in den Mund schauen – sogar der Studioraum scheint sich vor meinem inneren
Auge abzubilden – man meint fast, bei der Aufnahme dabei zu sein. Wie geht
das denn bitteschön? Der ultratiefe Bass im Stück „You Ain’t Gotta Lie (Momma Said)“
kommt verdammt druckvoll und tight, ohne dass der AudioQuest hier bewusst einen
Fokus schafft. Der NightHawk schüttelt sich auch die heftigen Industrial-Impulse von
A Perfect Circles „Counting Bodies Like Sheep to the Rhythm of the War Drums“ mit
wahnsinnigem Drive aus den biologisch abbaubaren Membranen, ohne auch nur eine
Sekunde zu nerven. Im Gegenteil, auch hier ist aufgrund der ultradirekten und unverschleierten
Ansprache in jedem Frequenzbereich sowie der hohen Differenzierungsfähigkeit
gerade im Mittelton Gänsehaut garantiert! Nein, der AudioQuest NightHawk
kommt nicht ganz an die ultrahohe Aufl ösung und die unendlichen Weiten planarmagnetischer
Kopfhörer wie von Audeze oder Lyrus Audio heran (Raum ist dennoch
in angemessenem Maß vorhanden, und die Abbildung ist extrem präzise), und er reproduziert
tiefsten Bass nicht ganz so markerschütternd wie ein Fostex TH500RP. Aber
das muss er auch gar nicht, denn in seiner Preisklasse gibt es meines Wissens keinen
Kopfhörer, den man so lange und so ermüdungsfrei und mit jeder Art von Musik hören
kann und der vergleichbaren Drive und musikalischen Impetus besitzt. Auch fällt mir
kein direkter Konkurrent ein, der so ansatzlos und trocken Impulse im musikalisch
so wichtigen Mittelton liefert, der so „komplett“ klingt. Der NightHawk macht einfach
alles richtig. „Do No Harm“ lautet auch hier das perfekt umgesetzte Motto der Amerikaner
– dabei ist sein Charakter eher trocken und präzise als fett und samtig. Aber
Letzteres wäre für einen Nachtfalken auch gar nicht passend.
Bei uns 399.- !